TSCHAIKOWSKI-OUVERTÜREN - BALLETT VON ALEXEI RATMANSKY
Choreographie: Alexei Ratmansky
Musik: Pjotr I. Tschaikowski
Bühne und Kostüme: Jean-Marc Puissant
Licht: James F. Ingalls
Dramaturgie: Serge Honegger
Musikalische Leitung Mikhail Agrest
Bayerisches Staatsballett
Bayerisches Staatsorchester
Uraufführung: Bayerisches Staatsballett, Nationaltheater München, 23. Dezember 2022
Fotos: © Bayerisches Staatsballett / Katja Lotter
AUSZUG AUS EINEM INTERVIEW MIT ALEXEI RATMANSKY FÜR DAS PROGRAMMHEFT
SH: Welche Art von Bühnensituationen hast du für die Choreographie angestrebt?
AR: Wir haben uns für eine gewisse Vielseitigkeit und Beweglichkeit der Elemente entschieden, weil ich gerne mit leeren Räumen spiele und sehe, wohin sie mich tragen. Wir verwenden keine Symbole, die zu eindeutig oder zu wörtlich sind. Natürlich mag ich auch Geschichten und Handlungen im Ballett, aber jetzt hatte ich das Gefühl, dass ich ein bisschen mehr Freiheit brauche. Man will nicht etwas entdecken und dann in einer unbeweglichen Struktur stecken bleiben.
SH: Eine Choreographie, wie jene, die du nun im Studio entwickelt hast, findet nicht losgelöst von der Gegenwart außerhalb des Theaters statt …
AR: Seit über einem halben Jahr erleben wir mit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine eine grundlegende Veränderung in unserer Welt. Als wir mit der Planung begannen und die ersten Gespräche führten, war nichts von all dieser Gewalt und Zerstörung abzusehen. Politik und Kunst. Es ist alles miteinander verbunden. Ich betrachte diesen Krieg nicht nur als Politik. Er ist viel mehr als das. Es geht darum, unsere Überzeugungen und unser Selbstverständnis als Individuen und als Gesellschaft in Frage zu stellen. In diesem Konflikt geht es um uns alle.
ANFÄNGE SETZEN: AUSZUG AUS DEM PROGRAMMHEFT
Alexei Ratmansky hat für sein Ballett «Tschaikowski-Ouvertüren» mit den ‹Ouvertüren› eine musikalische Form gewählt, die traditionell das Anfangen hervorhebt. Dass etwas ist und nicht nichts, zeichnet jede künstlerische Schöpfung aus. Die Choreographie schreibt sich als Setzung zuallererst in der Umsetzung durch die beteiligten Tänzerinnen und Tänzer einem leeren Raum ein, bevor das Ballett auf der Bühne durch weitere gestalterische Elemente seine endgültige Ausprägung erhält.
Mit der Wahl der Ouvertüren von Pjotr I. Tschaikowski sowie der Form des abstrakten Balletts, das nur Fragmente von Handlungen zur Darstellung bringt, webt Alexei Ratmansky die Motive des Anfangens, des Nicht-Abgeschlossenen und des In-die-Zukunft-Offenen in die Gesamtstruktur seines Balletts ein. Die Choreographie stellt vor diesem Hintergrund eine Einladung an das Publikum dar, sich nicht auf eine Aussage zu fixieren. Vielmehr bieten die choreographischen Abläufe, die Wechsel auf der Bühne, im Licht und im Kostümbild sowie die musikalische Gestaltung durch das Orchester die Chance, an den Erfahrungen des Immer-wieder-neu-Anfangens teilzuhaben.