Mit den Begriffen ‹Lenkung›, ‹Führung›, ‹Steuerung› und ‹Regie› sind Vorstellungen der Planbarkeit von Geschehensabläufen und sozialen oder künstlerischen Vorgängen verbunden. Mithilfe von Texten wird versucht, wiederhol- und kontrollierbare Handlungen organisational festzulegen. Damit lassen sich bestimmte Prozeduren vermitteln, Begründungen und Legitimationen für ein gewünschtes Verhalten liefern oder Aufforderungen zur imaginativen Mitarbeit kommunizieren.
Allen schriftlichen Äußerungen ist eines gemeinsam: Damit sie Wirkung erlangen, ist ein Lektüre- und Auslegungsprozess durch Lesende erforderlich. Dies gilt sowohl für schriftliche Vorgaben des Topmanagements in einem Unternehmen als auch für die schriftlichen Prozeduren in der Rechtssetzung oder für Dramentexte im Theater.
Als ein Mittel der Steuerung geht es literarischen Texten nicht in erster Linie um «Zielerreichung, Effizienz und Effektivität, um Rationalität, Entscheidungsfindung oder Optimierung» (Böhme et al. 2014:7). Den von poetischen Prinzipien bestimmten postmodernen Dramentexten ist vielmehr – zu unterschiedlichen Graden – eine Steuerungslogik eingeschrieben, die das Spiel favorisiert. In unternehmerischen Kontexten wird eine vergleichbare Führungsmodalität angewendet, wenn es darum geht, kreative Prozesse in Bezug auf organisationalen Wandel in Gang zu setzen, Produktinnovationen zu fördern oder Strategien und Szenarien für die Zukunft zu entwickeln.
Als materieller Ausdruck einer organisationalen Praxis sind Texte in Prozesse eingebunden. Dass sich die Texte in ihrer materiellen und gedruckten Gestalt nicht verändern, macht sie zu einem bevorzugten Mittel im Umgang mit Komplexität.
Text von Serge Honegger: Auszug aus der Studie «Lenkung und Ablenkung», Schwabe-Verlag Basel, 2019, S. 13 und 21
Fotos: entstanden im Rahmen der Produktion «Sitzfleisch» mit dem Vokalensemble larynx und dem Schauspieler Reto B. Müller; Premiere am 23. März 2007 in der Imprimerie Basel; Musikalische Leitung: Olivia Heiniger und Jakob Pilgram; Regie: Serge Honegger