Der ästhetische Kommunikationsmodus findet nicht nur im Kunstsystem Anwendung. Er taucht beispielsweise in einer Vielzahl rhetorischer Figuren im alltäglichen Sprechen auf und ist in den mit Mehrdeutigkeit operierenden Sprachspielen in der Werbung oder im Journalismus präsent. Er manifestiert sich zudem in jenen Diskursen, in denen Sprechende oder Schreibende die Aufmerksamkeit auf bestimmte Sachverhalte lenken wollen und dazu das Poetische als Hervorhebungsmerkmal einer Äußerung verwenden.
Innerhalb eines Paradigmas der Führung zielt die ästhetische Kommunikation darauf ab, durch ‹Ablenkung› die Rezipienten zu unterhalten. Es werden Wahrnehmungsprozesse ausgelöst, von denen niemand mit Sicherheit sagen kann, wohin sie die Lesenden genau lenken und wohin sich diese vom Wahrnehmungsangebot steuern lassen. Im Fall der Literatur ist es der Text, der einen Rahmen absteckt, wodurch er bestimmt, wovon die Rede ist und wovon nicht.
Im Gegensatz zu Steuerungsformen, die sich an Effizienzsteigerung oder Zielbestimmtheit ausrichten, rechnet man bei literarischen Texte damit, dass die von ihnen ausgelösten Wirkungen nicht von vornherein feststehen; eine Sichtweise, die auch von der systemischen Managementlehre in Bezug auf das kommunikative Geschehen in Organisationen vertreten wird. Mit der Fluidität der Bedeutungen ist immer zu rechnen. Darin besteht das Risiko jeglichen Sprachspiels.
Text von Serge Honegger: Auszug aus der Studie «Lenkung und Ablenkung», Schwabe-Verlag Basel, 2019, S. 12, 13 und 16